Venedig Zeichenexkursion, der Tag danach
Die Studenten verlassen die sinkende Stadt
Tag der Abreise und erstes Aqua Alta. Unser Wohnungsvermieter kommt pünktlich zur Übergabe und begrüßt uns mit der Nachricht, dass die Flut steigt und wir Gummistiefel brauchen. Unsere Mitbewohnerinnen müssen mit den anderen Studenten zum Flughafen, mein Freund Wolfram verlässt gegen Mittag mit dem Zug die Stadt und ich werde in ein Hotel wechseln. Ein letztes Frühstück im Café gegenüber mit Frittele und Macchiato.
In einer Nebengasse steht das Wasser schon so hoch, dass ein älteres Paar nur noch mit Gummistiefeln vorankommt. Später erfahre ich per SMS, von unseren anderen Wohnungen, dass auch sie alle nasse Füße bekommen haben…
Ich begleite Wolfram zum Vaporetto, um das Gepäck am Bahnhof zu parken. Die Straßen haben sich auf schmale Stege verschlankt, es herrscht zurückhaltendes Gedrängel. Zum Glück sind nicht alle Wege so tief gelegen, dass es Stege und Tänzeleien bedarf.
Bis Wolfram vom Bahnhof zurückkehrt möchte ich die erste Zeichnung im Block haben. Am Rialtomarkt renne ich, gegen das Licht, gleich in eine Hochwasserlache hinein und finde den Weg nicht mehr heraus. Erfreulicher Weise sind nicht nur die Schuhe dicht, sondern ist auch die Wasserlache sehr attraktiv. Ich zeichne diesen genius loci. Diese Entscheidung stellt sich als unterhaltsam heraus, denn noch andere Passanten sehen gegen das Licht diese Pfütze nicht und tapsen ähnlich unentschieden, in alle Richtungen auf trockenes Geläuf hoffend, herum. Beim Zeichnen verrinnt die Zeit und auch das Wasser verdünnisiert sich wieder im Pflaster. So schnell es kam, so schnell verschwand es, dafür aber war jetzt Wolfram wieder da.
Gemeinsam widmeten wir uns unserem Stammbacaro auf dem Markt, Al Mercá. Eine Batterie kleiner Brötchen, belegt mit allem was gut und edel ist, dazu ein Gingerino für mich (der Vormittagsersatzspritz) und un Ombra für Wolfram. Gepäcklos wagen wir eine weite und sentimentale Wanderung durch San Polo, bis zur Station Santa Lucia. Die Wanderung läßt mich das Eine oder Andere Motive abspeichern, ich komme später wieder… erst einmal will ich die neue Architekturfakultät suchen, die in Santa Marta liegen soll. Ich muss einfach nur den großen Zeichenmappen folgen, die eilige Studentinnen in Richtung Südwesten tragen. Schließlich ist das riesige Backsteinfabrikgebäude nicht mehr zu übersehen. Die Fakultät stellt sich als ein geschäftig brummender Bienenstock, bevölkert von unzähligen angehenden Architekten heraus. Ich bummle durch die Hörsäle und setze mich schließlich zum Zeichnen an den Kanal vor dem Eingang. Die leisen anerkennenden „bravos“ und „belissimos“ von zumeist etwas älteren Herrschaften tun meiner Eitelkeit gut. Der Himmel fängt leider vor Rührung auch sogleich an zu Weinen und ich muss in eine Studentenkneipe flüchten, um das Blatt aus dem Gedächtnis zu beenden. Das Leben kann schon sehr hart sein. Die Bar findet sofort meine Sympathie, denn hinter der Theke steht, gut lesbar auf einem Zettel notiert und unangenehmen Missverständnissen vorbeugenden, die Erklärung: Non si fa piú credit a nessuno! Da wird nicht rumgeeiert, sondern aufgeklärt!
Im Fix(i)erstübchen
Es ist jetzt 14:30 Uhr und ich beschließe, dass man in Ausnahmesituationen wie dieser, es regnet Hunde und Katzen, zum venezianischen Spritzbesteck greifen darf. Es gibt Spritz und Chips. Kritzelnd warte ich den Regen ab. Auch dieser Regen endet und ich wandere durch die nass glänzenden Straßen, von Bar zu Bar zu meinem Hotel.
Wehmut macht sich nach unserer Wohnung breit, als ich mein schmales Zimmerchen mit Aussenklo besichtige… Das Zimmer ist so eng, dass meine zeichnerische Beute der letzten Tag kaum ausgebreitet hineinpasst. Ich beschließe dieses Zimmer als Fixerstübchen zu gebrauchen, denn ich habe mir eine dicke Dose Fixierspray gekauft. Am offenen Fenster, weit nach außen gelehnt, fixiere ich alle Blätter und verstaue sie im Gepäck.
Eigentlich hatte ich einen Tisch im Mascaron reserviert, tatsächlich aber erreiche ich diese Trattoria nie, da mein bevorzugter Bacarao El Portego, heute Abend über derart gut gelauntes Publikum verfügt, dass ich gut versorgt an Getränken und Kleinigkeiten, die Gäste zeichne. Darüber kommt man leicht ins Gespräch. Sehr gelungener Tag!